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Notizen zu meiner Begegnung mit Valentin Tomberg

An dieser Stelle notiere ich meine Gedanken, Einsichten, Epfindungen, Forschungen usw. im Zusammenhang mit Tomberg. Die neusten Texte sind oben angeführt, ältere rutschen nach hinten.

Bemerkungen zum Text «Die Verkündigung auf dem Sinai – der Bund und die Gebote» (23.12.2007)

Um Weihnachten 1972, zwei Monate vor seinem Tod am 24. Februar 1973, hat Valentin Tomberg seinem Freund Martin Kriele drei Manuskripte anvertraut. Die Texte hat Kriele 1985 beim Herderverlag herausgegeben. Der Philosoph Robert Spaemann schrieb dazu eine Einführung.
>>> Lazarus komm heraus, Vier Schriften von Valentin Tomberg, Herder Basel
Das Manuskript über die Auferweckung des Lazarus, das dem Buch den Namen gegeben hat, stamme aus den 60er-Jahren, vermutet Kriele. Der Text «Die zehn Gebote», Tombergs letzter Text, ist datiert mit Mai 1972. Die dritte Schrift im Sammelband «Dein Reich komme» entstand im Frühjahr 1967, am Fragment «Der Odem des Lebens» schrieb Tomberg vor seinem Tod.

Die Schrift «Die Verkündigung auf dem Sinai – Der Bund und die Gebote» habe ich in während der kleinen Reise nach Spanien und Madrid in der Woche vom 14. – 20. Dezember 2007 gelesen. Kurz vor seinem Tod abgeschlossen, handelt es sich hier um ein Alterswerk. Schon in seiner anthroposophischen Phase hat sich Tomberg immer wieder zu biblischen Texten geäussert. Überhaupt war er ein religiöser Mensch, stets auf die biblische Offenbarung ausgerichtet, mehr noch auf das, wovon diese zeugt: Gott. So hat er auch seinen letzten grösseren Text einer Schlüsselpassage im Alten Testament gewidmet: Der Offenbarung der 10 Gebote. Hier geht er auf intime Fragen der Tradition und des Gottesbegriffs ein: Er will darlegen, was Moses von andern Propheten unterscheidet und wie Moses in der Wolke auf dem Berg die Gebote erhalten hat: nicht durch Bilder oder Zeichen, sondern durch Reden mit Gott. Dabei denkt er sich weit wor, dringt ein in ein Mysterium, macht es deutbar, bringt Licht in den wundersamen Austausch, die Kondensation der 10 Gebote aus dem Wesen Gottes, dargestellt in der Wolke, in der Mose direkt «Wort zu Wort» mit Gott umgeht. Darin antizipiert Moses die Angleichung seines Ichs an das Ich Gottes, was in Jesus seine repräsentative Verwirklichung findet, die den Menschen die zukünftige Gottesbeziehung freilegt.
Der Volkswille aber kreiert sich seine eigene Gottheit: das goldene Kalb – für Tomberg eine ewige Warnung, dass die Urdogmen von Oben, durch die Hierarchie, verantwortet werden, und nie der demokratischen Ausmarchung überlassen werden können. Es geht da um zu wichtiges, als dass man es dem freien Markt der Sektierer überlassen kann. Darum muss der Impuls der Erneuerung, auch der spirituellen VERtiefung, ganz aus dem Herzen der Kirche geboren werden. Aber die Kirche ist für mich etwas «menschheitlicheres» als bei Tomberg, der sich für die Römische Papstkirche entschieden hat. Seinem Rekurs auf das Papsttum setzte ich innerlich das Petrusgestein im Gemüt jedes Menschen entgegen, wie ich das von Iganz Paul Vital Troxler gelernt habe. Tomberg deutet all diese Ereignisse samt der Wüstenwanderung im Hinblick auf ewige Wahrheiten, die darin zum Ausdruck kommen.
Im Wesentlichen ist der ganze Text eine Abhandlung über Gott, wie er sich im Alten Testament offenbart und wie der Mensch zu dieser Offenbarung steht. Es geht um die Einzigkeit des universalen Gott, der in keinem Bild vorgestellt oder verehrt werden kann, aber in der Feier des Sabbath, der Meditation und Versenkung, sich offenbart, wenn wir nur die Tradition, d.h. Vater und Mutter, ehren. Die restlichen Gebote fasst Tomberg in dem einen Gebot, nicht zu töten, zusammen. Es geht um die geheimnisvolle Verbindung von Leib und Seele, welche das Leben ausmacht und die zudem vor Verleugnung und Nachrede geschützt werden muss. Die Liebe ist das Band, das in allem zum Ziel der Gottesgemeinschaft führt.
Stark, aber nicht ausgefeit, oder für mich zu unklar, sind die Passagen, wo er nach dem Wesen Jahwes fragt und generell die verschiedenen Namen und Wirkensweisen Gottes im Alten Testament mit dem einen, universalen und spirituellen Gott der Menschheit in Beziehung setzt. Da greift er auf den Sefiroth-Baum der Kabbala zurück und auf die Engellehre des Mittelalters – wobei er an dieser Stelle auch Rudolf Steiner hohen Respekt zollt. ES ist wohl möglich, hinter den verschiedenen Offenbarungen Gottes je verschiedene Aspekte Gottes zu erkennen, teils sprechen auch die Texte explizit vom Engel des Herrn. Dass bei den Zauberkünsten vor dem Pharao oder bei den 10 Plagen während des Auszugs aus Ägypten Gott sich von einer spezifischen Seite zeigt ist nachvollziehbar. Bei der Auflistung der 10 Sephiroth, der 10 Gottesnamen und der 3x3 Engelhierarchien bleibt mir aber vieles zu schemenhaft und relativ kurzatmig zusammengestellt. Doch das Interesse ist geweckt, eine Spur der weiteren eigenen Suche gelegt.
Tomberg sagt mir: Du musst hinter diesen Geschichten den roten Faden finden, die tiefe Mitteilung, welche etwas Menschheitliches und Überzeitliches meint. Und das sei nicht nur möglich, sondern nötig, um die tiefe Mission dieser Texte zu retten und ihre Weitergabe zu sichern. Denn wo ich darin nicht mehr selber dem Heiligen begegne, verliere ich den Impuls, das Mysterium weiter zu geben. Uns sind die Mittel (die Gnade; kath.: die Gnadenmittel) gegeben, uns dem Mysterium Gott durch die Texte der Offenbarung zu nähern.

Keine Bibelkritik
Von einzelnen Passagen war ich tief berührt und genährt, andere Teil haben mich nicht vollends überzeugt, teilweise sogar befremdet. Tomberg verweigert sich der modernen Bibelkritik – wohl bewusst, dass er diese leicht hätte konsultieren können. Er geht aber bewusst von der biblischen Textgestalt aus und nimmt diese als Offenbarung, teils fast als historischen Tatsachenbericht. Primär blickt er auf den Bildgehalt der Worte, um die Aussagen als Heilige Texte tiefsinnig zu deuten. Teils muss ich annehmen, dass die Geschichte vom Auszug aus Ägypten, die 40 Jahre Wüstenwanderung, die Offenbarungen an Moses in der Wolke, die Verfertigung des goldenen Kalbes und die erneute Offenbarung historische Fakten berichtet.
Den Vorwurf, den er der Orthodoxen Kirche macht, dass sie nämlich durch die Abtrennung vom Petrusamt stehen geblieben ist und daher nicht teilhaben konnte an der Blüte der Scholastik und am Wirken der grossen Orden – diesen Vorwurf muss ich Tomberg im Bezug auf seinen Katholizismus machen. Zwar erwähnt er polemisch die Weiterentwicklung der Theologie hin zu der historischen Forschung, welche schlussendlich Jesus bloss als Lehrer und in Folge als sozialen Führer oder psychologischen Therapeuten sieht. Die Quellenscheidung und die historische Rekonstruktion mag wenig betragen zu der spirituellen Sicht der Sinaioffenbarung, aber eine zeitgemässe Interpretation müsste durch diese Realistik hindurch zum ewigen Gehalt der Sinaioffenbarung finden – so war mein Eindruck. (Sonntag, 23. Dezember 2007)

 

Wer beschäftigt sich wie mit Tomberg? – Eine Spurensuche im Internet (6.3.2007)

Bei «Guggeln» zum Thema «Valentin Tomberg» stosse ich bald auf die mir bisher bekannten Namen Michael French und Martin Kriele, dessen Buch «Anthroposophie und Kirche» ich zusammen mit meiner Frau Ruth im Jahr 1999 gelesen habe. Michael French (geb. 1948) kenne und schätze ich aus der Zeitschrift Novalis, die aber vor wenigen Jahren eingestellt wurde. Michael French hat zusammen mit dem Ramsteiner Kreise die mehrbändige Biographie Tombergs verfasst und herausgegeben. Der Ramsteiner Kreis, der seit längerm sich mit Tomberg befasst und sein Werk pflegt, nennt deren Arbeit auch «Das Valentin Tomberg Projekt».
Da stosse ich auf Willi Seiss, der vor allem die Schriften aus der anthroposophischen Phase Tombergs herausgegeben hat >>> Achamoth Verlag. Willi Seiss, der die Internetseite «www.valentin-tomberg.com» betreibt, hat auch «die Freie Hochschule am Bodensee» begründet, derzeit ist da aber nicht viel Aktuelles zu finden. Der Mann, dessen Alter ich nicht kenne, gehört zu den Kritikern der Anthroposophie, welche er auf eigene Wesen mit Hilfe Tombergs richtig lehren will. Er schient sich auf die Chakra-Forschung spezialisiert zu haben.
Leider werde ich im kirchlichen Bereich nicht fündig. In der Katholischen Kirche wie auch in der wissenchaftlichen Theologie scheint man sich bisher noch kaum für das Wirken Tombergs zu interessieren. Oder täusche ich mich?

 

Die Kritiker Tombergs (3.8.2007)

Heute begann ich mit der Lektüre von Sergej O. Prokofieffs «Der Fall Tomberg – Anthroposophie oder Jesuitismus». Das Buch hat mir der alte Herr Lutz, ein Nachbar, bei kürzlich geschenkt – da ich ihm von meiner Vorliebe für Tomberg erzählt habe.
Nachdem ich nun immer wieder im Tarotbuch Tombergs gelesen habe (inzwischen bin ich bei Karte 14) war ich sehr gespannt, worin denn «das Problem Tomberg» oder «der Fall Tomberg» bestehe – obwohl ich die Grundgedanken dieser Auseinandersetzung aus Texten der Zeitschrift Novalis kannte. Völlig befremdet bin ich nun aber von der Härte der Auseinandersetzung, die schon damit beginnt, dass nicht vom Menschen Tomberg die Rede ist, sondern vom «Problem» oder vom «Fall» Tomberg.

Der Vorwurf
Da werden jene Zitate zusammengestellt, wo Tomberg positiv von Ignatius von Loyola, dem Begründer des Jesuitenordens spricht. Tomberg beschreibt in diesen Stellen, wie Ignatius das Gebet und die Meditation zusammengeführt habe, und zwar so, dass in seinen Exerzitien die Frömmigkeit und Intellektualität vereint würden, womit er der Kirche einen neuen Impuls vermittelt habe. Da es in der Kirche um die Auferstehungskräfte gehe, wie sie bei Lazarus initiatorisch zu Geltung gekommen sind, bringt Tomberg diesen Impuls der Jesuiten im «Lazarusbuch» mit diesem johanneischen Auferstehungsimpuls in Beziehung. Damit aber habe er, so Prokofieff, die Quellen der Rosenkreuzer und der Anthroposophie, welche er von Steiner her kannte, für die katholische Kirche und den Jesuitismus in Anspruch genommen, so sehr und weitgehend, dass Tomberg darin auch das Walten des Boddhisatwa sah, der die Wahrnehmung des Christus im Ätherischen vorbereiten soll. Was also die Mission der Anthroposophie wäre, wird hier zur Mission der Kirche. Sie ist das Gefäss, wo auch Kraft der Jesuiten diese Vorbereitung geschieht, nicht zuletzt auch durch das Tarotwerk Tombergs.

Ein alter Zwist
Nun scheint da ein alter Zwist vorzuliegen zwischen Jesuitismus und Rosenkreuzertum, resp. Anthroposophie. In der Beschreibung dieses welthistorischen Zwistes, in dem es um nicht weniger geht als um Freiheit und Unfreiheit der Menschen im Bezug auf den Christusimpuls, beruft sich Prokofieff in allem auf Aussagen Steiners. Und wie ich den Gedankengängen des Buches «Der Fall Tomberg» folge, muss ich Tomberg zustimmen bei seinem Vorwurf an die Anthroposophen, dass sie sich zuviel mit dem Bösen beschäftigen. Mit begegnet da eine Verschwörungstheorie, die geradezu apokalyptisch daherkommt. 
Steiner habe im Vortrag «Von Jesus zu Christus» ein Geheimnis ausgesprochen, das ihm und der Anthroposophie später das Leben schwer gemacht habe. In diesem Zyklus behauptet Steiner, dass die Jesuitische Meditation vom Jesus Christus bloss den irdischen Jesus aufnehme, einen irdischen König, und somit werden direkt Einfluss genommen auf den Willen der Menschen im Umgehung der Freiheit und der Dimensionen Christi, die nicht von dieser Welt seien. Ob dem so ist, das muss ich prüfen. Mir scheint aber, dass Prokofieff genau weiss, was der Jesuitismus ist – er weiss es aus unzähligen Zitaten Steiners. Nicht ein Mal kommt Ignatius oder einer seiner Nachfolger selber zu Wort. Tomberg aber wird als Nachfolger des Ignatious stilisiert. Ich habe viele andere Namen und Schulen bei Tomberg gefunden, die ebenso bedeutend wenn nicht wichtiger waren: Hermes Trismegistos, Johannes von Kreuz, Theresa von Avila, Origenes, die Kabbala, der Yoga, Papus,  …

Was den Vorwurf betrifft, einen geistigen Weg zu lehren, der die Menschen unfrei macht, der sie der Autorität der Kirche unterwirft, der die Menschen zu Sklaven eines Autoritätsprinzips macht, der einer andern Macht als der des Christus dient ... ja dem Antichristen dient ..., da muss ich leer schlucken und mich fragen, ob ich mich in einem Science Fiction Film befinde. Wie gross ist doch der Hang der Menschen und das Bedürfnis der Schulen, die Welt in zwei einander gegenüberstehende Prinzipien zu teilen und sich selber auf der guten Seite zu wähnen. Ich für meinen Teil kann im Moment diesen Gegensatz nicht so krass wahrnehmen, zumal ich die Anthroposophie kenne und weiss, dass in der Bewusstseinsseele, im Durchbruch zum reinen Denken, der Freiheitsimpuls des Christus zu wirken anfängt, und erst von dieser Gewinnung des eigenen Kerns im Ich die weiteren Dimensionen der Vergeistigung, der Verwandlung und Kommunion mit dem Göttlichen geschehen können und sollen. Das ist sicher ein Schlüsselweg, der die grosse Linie der Wissenschaft in Geisteswissenschaft überführen kann ... über Jahrhunderte.
Parallel dazu aber gibt es seit Urzeiten auch die Frömmigkeit, die den ganzen Menschen mit dem Leben Gottes in Beziehung sieht und diese Beziehung rituell oder auch im Glauben aktiviert. Hier ist die Kirche im besten Sinne, aber auch in aller Hinfälligkeit und Fehlerhaftigkeit, seit bald 2000 Jahren im Dienst des Auferstehungsimpulses, des Kommens des Menschensohns.

Tombergs Mission in der Kirche
Tombergs Verdienst ist es, das Wissen der christlichen Esoterik mit der Lehre der Kirche zu verbinden und dabei Frömmigkeit, Kult und Schulung anzusprechen und zu impulsieren, die zeigen, wie der Menschen auf allen Ebenen seines Seins, im Denken, Fühlen und Wollen durch das Licht des göttlichen Heils erfüllt und verwandelt werden kann. Wenn er auf den Weg des Glaubens, des Hoffens und der Liebe weist, wo der Mensch als Ganzheit mit der göttlichen Gnade in Berührung kommt, so ist er damit kein Verdreher der johanneischen oder rosenkreuzerischen Schulung. Er versteht sich durchaus im Dienste dieser Strömung des Abendlandes – und bei Gott, wie sollte ich denken, dass er im Geheimen den Gegenmächten dienen will und uns alle in die Klauen des Antichristen treiben will ??? ... – Was er aber tut, dass ist der Schritt in die Kirche. Denn er ist zum Glauben gekommen, dass diese leuchtenden und wärmenden Goldströme der Hermetik nicht mehr länger gegen die Kirche und die Kirche gegen sie wirken sollen. Die Zeit ist gekommen, wo die mystischen, gnostischen und hermetischen Quellen die Kirche und ihre Lehre und ihren Kultus befruchten wollen. Tomberg ist ein Diener dieser Vermittlung, und damit man ihn in der (Katholischen) Kirche ernst nimmt, musste er positiv über deren Magier und Hermetiker, die Jesuiten, schreiben. Die Anbiederung ist immer wieder so offensichtlich, dass sie auf mich bisweilen peinlich bis naiv wirkt, vor allem auch das, wo er da Papsttum verherrlicht – aber Tomberg deswegen eine Verschwörung gegen die Freiheit und Wahrheit vorzuwerfen, nur weil die Kirche über Jahre die Anthroposophen und Steiner geplagt hat? – Da ist eine grosse Versöhnungsarbeit nötig, wo man sich in die anderen versetzt, wo man die Frömmigkeit und Geistigkeit der «alten Feinde» bis ins Herz hinein aufnimmt und nachempfindet, um das Fremde zu verstehen, in Kontakt mit ihm zu treten und Unstimmigkeiten in menschlichem Anstand auszutragen.

Anthroposophie heute
Die Anthroposophie hat, wenn man diese bloss auf Aussagen Steiners begründen will, in konkreten Fragen sehr zeitbedingte Wahrheiten: So die Aussagen über die Kirche und ihre Wirkung auf die Menschen. Darüber wäre nun im Einzelnen zu debattieren und zu forschen, inwieweit die Kirche und ihre Exponenten eine Entwicklung zur Freiheit im Sinne einer Förderung der Christusnähe nur hinderte oder in vieler Hinsicht auch eröffnete und bis heute verhindert und eröffnet. Da ist mit einem entweder oder nicht zu antworten, da in jeder Kirche und zu allen Zeiten vielerlei Kräfte im Spiel waren, meist sich bekämpfend und widerstreitend – bis heute.
Blicke ich in die Anthroposophische Gesellschaft, deren Leitung am Goetheanum, oder besuche ich Zweigabende: Ich stelle fest, dass hier Menschen in aller Unzulänglichkeit aus ihrem Erbe das Beste zu machen suchen, aber dabei auch nicht in den Himmel wachsen können. Der Hochmut, in einer auserwählten Gesellschaft zu sitzen, der die Zukunft gehört, die alle Welt prägen und verändern wird – diese Ambitionen gehören einem voraufgeklärten, konfessionalistischen Zeitalter an, wo Gruppenidentitäten gepflegt und gezüchtet werden konnten im elitären, unter sich bescheidenden Hochgefühl, sich im Kontrast zu den Fehlern der Andern zu definieren.
Die Anthroposophie, ich meine damit die leitenden Repräsentanten und teils auch die Mitglieder, müssen heute vom hohen Ross der stiegen und sich ganz neu mit den vielen geistigen Ansätzen der Gegenwart auseinandersetzen, wie das vorbildlich von den Herausgebern und Autoren in der Zeitschrift Info3 geschieht. Das Hüten und Reinhalten einer wahren Lehre Steiners, wie mit das aus dem Buch von Prokofieff entgegenkommt, wird meines Erachtens der Mission der Anthroposophie in keiner Weise gerecht, ja schadet ihr.
Auch wir Protestanten müssen lernen, in bei den Katholiken, in der Ostkirche oder bei den Fundamentalisten nicht nur das Unverständliche und Falsche zu sehen, sondern das Charisma und die Stärken. Ja, da werden bei den Andern sogar die vergessenen, bei uns vernachlässigten Aspekte gepflegt und tradiert. Darum müssen wir für die Vielfalt der Kirchen dankbar sein.
In diesem Sinne müsste das Goetheanum zeigen und darauf hinweisen, wie Tomberg eine Seite der Anthroposophie in wunderbarer Weise in die Welt, ja in die Kirche trägt.  Aber da geht es nicht mehr um die Anthroposophie, wie sie in der Gesellschaft ein gewisses Erbe hütet, sondern um die Weisheit des Menschen, die sich in das Licht des Fleisch gewordenen Wortes, des Christus stellt und zu allen Zeiten ersehnt und gesucht wird, und auch heute in vielen Facetten ersehnt und verehrt wird.
Christian Lazaridès hat in seinem Teil versucht, Tomberg Wirkung einerseits im sanften New-Age bereich festzumachen, andererseits im orthodoxen, reaktionären kirchlichen Lager. Mag sein, dass in diesen beiden Richtungen die Impulse weiterleben, aber Tombergs Intention gehen in eine andere Richtung. Mitten in der Kirche sollen diese Impulse Leben zeugen ...
Es wäre an der Zeit, eine Tagung zu organisieren, nicht zum «Fall Tomberg», sondern zum «Tombergimpuls» oder dem «Anliegen Tombergs». Gibt es auf katholischer Seite Leute, die dabei wären, so eine Tagung zu organisieren?

(3. August 2007)