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Leserbrief zur Troxlerbiographie von Daniel Furer

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I.P.V. Troxler, der transzendentale Demokrat (1. zu lange Fassung)

Die am 26. November in der NZZ besprochene Troxler-Biografie von Daniel Furrer ist ein Lesevergnügen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie anhand des Lebens von Ignaz Paul Vital Troxler (1780-1866) auch die Zeitgeschichte beleuchtet. Dieser Zugang zu einer historischen Persönlichkeit ist in diesem Fall besonders ergiebig, da Troxler in einer für die Entstehung der Schweiz höchst spannenden Zeit lebte und wie kaum ein anderer Zeitgenosse selber in die Geschichte eingriff. Mit stürmischem Naturell hat sich Troxler kompromisslos für seine Ideale eingesetzt, sei es als Arzt, als Pädagoge oder als Autor. Es ging ihm in allem um Bildung, Mündigkeit und Demokratie – den Grundlagen einer wahren Eidgenossenschaft. Wie Troxler dabei auf Widerstand stiess und trotzdem bis ins hohe Alter gekämpft hat, beschreibt Daniel Furrer mit historischer Sachkenntnis, vor allem was die Medizingeschichte betrifft. Und der Sachbuchautor schreibt spannend und leicht verständlich wie ein begabter Schriftsteller – wobei die Faszination bei der Lektüre auch der schillernden Persönlichkeit zu verdanken ist, deren Leben hier erzählt wird.

Nun aber zu einem kritischen Punkt, auf den auch die Rezension von Brigitte Hilmer verweist. Es geht um die Feststellung, dass Furrer sich in die Reihe jener Biografen einreiht, die Troxlers Impulse und Wirkungen zwar würdigen, dessen Philosophie jedoch stiefmütterlich behandeln – oder, wie Brigitte Hilmer es formuliert, «den Helden auf metaphysisch-mystischen, zum wissenschaftlichen und positivistischen Fortschritt quer verlaufenden Abwegen wandeln sehen.»

In der Tat zeigt Furrer auf, was dieser von Licht sprühende Kommet Troxler in seiner Zeit erhellt und bewirkt hat, doch die Herkunft und Substanz dieses Lichtes wird nicht weiter thematisiert oder ergründet, obwohl Troxler sehr wohl darüber spricht: Es geht um die Verankerung seines Philosophierens in der abendländischen Logoschristologie, am klarsten ausgearbeitet in seiner «Naturlehre des menschlichen Erkennens, oder Metaphysik» von 1828 und der «Logik» von 1830. – In kritischer Abgrenzung zu den Idealisten und Romantikern versuchte Troxler mit seiner «Philosophischen Anthropologie» das Erbe der christlichen Religion mit der Wissenschaft neu zu versöhnen, doch er fand für sein Anliegen nach 1848 immer weniger Verständnis.

Auch wenn diese Art religiöser Philosophie damals ihren Höhepunkt und Abbruch erfahren hat, so konnte doch die Neuzeit die besten Früchte dieses Ringens erben – gerade die Schweiz dank Troxler. So jedenfalls verstehe ich das von Brigitte Hilmer am Ende ihrer Besprechung beigefügte «Desiderat, dem Denker Troxler intellektuelle Integrität und Kritikwürdigkeit zuzumessen und auf dem Niveau der heutigen philosophiehistorischen Forschung aufzuklären, wie die Philosophie des deutschen Idealismus mit ihren romantischen Derivaten die Entwicklung zum modernsten, zu einem demokratischen Staatswesen in Europa zu befördern und zu inspirieren vermochte.»

Eine bloss historische Würdigung seiner Philosophie würde Troxler selber aber kaum reichen. Ihm ging es um mehr, wie etwa jener Brief zeigt, mit dem sich der schon 80-jährige Troxler 1860 für die Einladung zu einem Jubiläum an die Basler Universität bedankt. Drin preist er erneut das Studium der Logik als Heilmittel gegen die sich aufreibenden gesellschaftlichen und politischen Mächte und schreibt: «Was kann da raten und helfen, was die Gesellschaft retten als der rationale und moralische Menschengeist, wenn er wieder als die grösste Grossmacht von Gottes Gnaden auf Erden anerkannt und Wissenschaft und Glaube wieder, von den Banden usurpierender Herrschaft befreit, in ihr göttliches Recht eingesetzt werden!»

Andreas Schwendener, St.Gallen, 29.11.2011

 

?I.P.V. Troxler, der transzendentale Demokrat (2.gekürzte Fassung)

Ignaz Paul Vital Troxler (1780-1866) hat für die Entstehung der Schweiz Grosses geleistet. Das zeigt auch die neue Biographie von Daniel Furrer, die jedoch Troxlers Philosophie eher stiefmütterlich behandelt. Das hat auch Brigitte Hilmer bemerkt, die das Buch in der NZZ besprochen hat. Auch Furrer gehöre zu jenen Autoren, die ihren «Helden auf metaphysisch-mystischen, zum wissenschaftlichen und positivistischen Fortschritt quer verlaufenden Abwegen wandeln sehen.»
Troxlers tiefstes Ringen war aber auf das gerichtet, was Freiheit und Mündigkeit der Menschen fördert. Ihm ging es um eine Religion und Wissenschaft vermittelnde «philosophischen Anthropologie», die im Logos gründet, dem Wort Gottes, das Mensch geworden ist – entfaltet in der «Naturlehre des menschlichen Erkennens, oder Metaphysik» von 1828 und der «Logik» von 1830.
Auch wenn diese Art religiöser Philosophie damals ihren Höhepunkt und Abbruch erfahren hat, so konnte doch die Neuzeit die besten Früchte dieses Ringens erben – gerade die Schweiz dank Troxler. So jedenfalls verstehe ich das von Brigitte Hilmer am Ende ihrer Besprechung beigefügte «Desiderat, dem Denker Troxler intellektuelle Integrität und Kritikwürdigkeit zuzumessen und auf dem Niveau der heutigen philosophiehistorischen Forschung aufzuklären, wie die Philosophie des deutschen Idealismus mit ihren romantischen Derivaten die Entwicklung zum modernsten, zu einem demokratischen Staatswesen in Europa zu befördern und zu inspirieren vermochte.»
Eine bloss historische Würdigung seiner Philosophie würde Troxler allerdings kaum reichen. Ihm ging es um mehr. Noch 1860, als sich die politische Wetterlage in Europa verdunkelt, schreibt er: «Was kann da raten und helfen, was die Gesellschaft retten als der rationale und moralische Menschengeist, wenn er wieder als die grösste Grossmacht von Gottes Gnaden auf Erden anerkannt und Wissenschaft und Glaube wieder, von den Banden usurpierender Herrschaft befreit, in ihr göttliches Recht eingesetzt werden!»

Andreas Schwendener, St.Gallen, 2.12.2011

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